Vor und Nacherbschaft auf dem Prüfstand
17.04.2024
Urteil des Finanzgerichts München vom 17.01.2024 – 4 K 379/21)
Die Anordnung von Vor- und Nacherbschaften war früher ein häufiges Gestaltungsmittel, ist jedoch mittlerweile immer seltener anzutreffen. Ein Grund dafür ist, dass auch der „befreite“ Vorerbe zivilrechtlich erheblichen Schranken unterliegt. Auch die erbschaftsteuerliche Regelung des § 6 ErbStG ist häufig ungünstig, da für die Erbschaftsteuer fingiert wir, dass der Nacherbe vom Vorerben geerbt hat, so dass für diesen insgesamt nur einmal der Freibetrag angesetzt werden kann. In einer jüngeren Entscheidung musste sich das Finanzgericht München mit der Frage auseinandersetzen, ob der Vorerbe Vermächtnisse anordnen kann, die der ursprünglich angedachten Nacherbschaft widersprechen und ob diese Vermächtnisse erbschaftsteuerlich anzuerkennen sind.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein Witwer, der seine Ehefrau als Alleinerbe beerbt hatte. Nach Klageerhebung verstarb jedoch auch der Kläger, so dass seine Klage von seinen Kindern fortgesetzt wurde.
Die Ehefrau wiederum ist vor ihrem Tod Nacherbin ihrer eigenen Mutter geworden. Diese errichtete wiederum (als Vorerbin) ein Testament, wonach sie verschiedene Vermächtnisanordnungen traf, die der Vor- und Nacherbschaftsregelung widersprachen teilweise der angeordneten Nacherbschaft.
Im Kern ging es darum, dass die als Vorerbin eingesetzte Großmutter verschiedene Vermächtnisse anordnete, die der ursprünglich vorgesehenen Nacherbschaft widersprachen. Die Nacherbin verstarb selbst kurz nach dem Nacherbfall und wurde von ihrem Ehemann als Alleinerbe beerbt. Dieser erfüllte die Vermächtnisse. Das beklagte Finanzamt erließ einen Erbschaftsteuerbescheid, bei dem die Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Absatz 5 ErbStG akzeptiert wurden. Der Ehemann legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Das Finanzamt half diesem nicht ab. Es kam zur Klage.
Klage vor dem Finanzgericht München
Der Kläger argumentierte, dass die Vermächtnisanordnung zwar möglicherweise zivilrechtlich unwirksam gewesen sei, jedoch seien die Grundsätze zu beachten, wonach zivilrechtlich unwirksame Vermächtnisse erbschaftsteuerlich anzuerkennen sind, sofern sie tatsächlich vollzogen sind.
Das Finanzamt orientierte sich an der zivilrechtlichen Rechtslage. Da die Vermächtnisse wegen der Nacherbschaftsanordnung unwirksam waren, konnte die Erfüllung der Vermächtnisse auch nicht erbschaftsteuerrechtlich geltend gemacht werden.
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt recht. Es führte aus, dass zivilrechtlich sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe jeweils vom ursprünglichen Erblasser erben. Demgegenüber gilt nach § 6 Absatz 2 Satz 1 ErbStG, dass im Nacherbfall der Erwerb als vom Vorerben stammend vererbt wird. Nach Ansicht der Finanzrichter scheidet aus diesem Grund die Annahme von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Absatz 5 Nr. 2 ErbStG aus. Diese Vorschrift stellt darauf ab, dass der Erblasser vom Vor- und Nacherben zivilrechtlich beerbt wird und dass dieser etwaige Vermächtnisse angeordnet hat. Die Vorerbin selbst wiederum, war gar nicht dazu befugt, per Vermächtnis über das von der Vorerbschaft erfasste Vermögen zu verfügen und daher sei § 10 Absatz 5 Nr. 2 ErbStG gar nicht einschlägig.
Auch Grundsätze zur steuerlichen Anerkennung zivilrechtlich unwirksam angeordneter Vermächtnisse seien nicht anzuwenden. Anderes würde allenfalls dann gelten, wenn der Erblasser selbst (unwirksame) Vermächtnisse angeordnet hätte. Die Vermächtnisse der Vorerbin waren jedoch nicht lediglich formunwirksam. Die Vorerbin hat sogar in der Vermächtnisanordnung formuliert, dass ihr bewusst gewesen sei, dass die Vermächtnisse gegebenenfalls „ins Leere“ gingen.
Für die Richter war daher klar, dass die Vermächtnisse aus erbschaftsteuerlicher Sicht nicht wertmindernd angesetzt werden können. Die Klage wurde abgewiesen.
Für die betreffenden war diese Entscheidung natürlich unbefriedigend. Sie kann jedoch nicht überraschend gewesen sein. Letztlich dürfte bereits bei Abfassung der Vermächtnisanordnungen klar gewesen sein, dass der Widerspruch zu der Vorerbschaft erbschaftsteuerlich problematisch werden dürfte. Fraglich ist, weshalb in einem solchen Fall (bei notarieller Beratung) statt der einfachen Vermächtnislösung zu Lebzeiten von Vor- und Nacherben kein Vertrag zwischen diesen geschlossen wurde. Solange sich alle Beteiligten hier einig gewesen wären (hierauf deutet zumindest das spätere gemeinsame Vorgehen hin), hätte eine vertragliche Lösung gefunden werden können, die auch vom Finanzamt akzeptiert worden wäre. Da dies jedoch nicht der Fall gewesen ist, zeigt sich auch hier, dass die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft äußerst wohl durchdacht werden sollte. Im Einzelfall mag dies zwar durchaus sinnvoll sein, jedoch sollten die vorhandenen erbschaftsteuerlichen Fallstricke in jedem Fall berücksichtigt werden.
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Autor: Rechtsanwalt Dr. Daniel Elias Serbu