Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge
Im deutschen Erbrecht gibt es zwei Arten von Erbfolgen. Die gesetzliche und die gewillkürte Erbfolge.
Was versteht man unter der gesetzlichen Erbfolge?
Die gesetzliche Erbfolge tritt in Kraft, wenn der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat. In diesem Fall richtet sich die Erbfolge nach den gesetzlichen Regelungen, die die Reihenfolge der Erben bestimmen.
Die Voraussetzungen für die gesetzliche Erbfolge sind klar definiert und treten automatisch in Kraft, wenn kein Testament vorhanden ist. Die Folgen der gesetzlichen Erbfolge sind, dass die Erben nach einer festgelegten Reihenfolge erben, unabhängig von den persönlichen Wünschen des Verstorbenen. Die Erben werden nach ihrer Verwandtschaft zum Verstorbenen eingeteilt, wobei Ehegatten und Kinder in der Regel bevorzugt werden.
Was versteht man unter der gewillkürten Erbfolge?
Im Gegensatz dazu steht die gewillkürte Erbfolge, bei der der Verstorbene durch ein Testament oder einen Erbvertrag seine Erben bestimmt. Hierbei hat der Erblasser die Möglichkeit, seinen Nachlass nach seinen eigenen Vorstellungen zu verteilen. Er kann auch Personen bedenken, die nicht gesetzliche Erben wären.
Bei der gewillkürten Erbfolge muss der Erblasser ein wirksames Testament verfassen, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Erben können vom Erblasser individuell bestimmt werden, was eine größere Flexibilität ermöglicht.
Was sind die Vor- und Nachteile der gesetzlichen und der gewillkürten Erbfolge?
Die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Erbfolge liegen darin, dass sie eine klare Regelung bietet, aber nicht maßgeschneidert sind auf die persönlichen Wünschen des Erblassers. Die gewillkürte Erbfolge ermöglicht es, den Nachlass individuell zu gestalten, birgt jedoch auch das Risiko von Streitigkeiten unter den Erben, wenn das Testament nicht eindeutig formuliert ist und daher Interpretationsspielraum lässt.
Wer erbt nach der gesetzlichen Erbfolge?
Wenn keine testamentarische Verfügung vorliegt, richtet sich die Erbfolge nach den gesetzlichen Bestimmungen §§ 1924 - 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Gemäß dieser Regelung erben zuerst die direkten Nachkommen des Verstorbenen, also Kinder und Enkelkinder. Sind keine Nachkommen vorhanden, erben die Eltern des Verstorbenen. Leben auch diese nicht mehr, erben die Geschwister des Verstorbenen.
Wenn es weder Nachkommen, Eltern noch Geschwister gibt, geht das Erbe auf die Großeltern und deren Abkömmlinge über. Sollten auch diese nicht mehr vorhanden sein, erben entferntere Verwandte wie beispielsweise Tanten, Onkel, Cousinen oder Cousins. Erst wenn keine Verwandten bis zum sechsten Grad gefunden werden können, fällt das Erbe an den Staat.
Die gesetzliche Erbfolge ist für viele Menschen relevant, da sie automatisch greift, wenn kein Testament erstellt wurde. In bestimmten Situationen, wie zum Beispiel bei plötzlichem Tod ohne ein Testament, kann die gesetzliche Erbfolge Klarheit schaffen und Streitigkeiten unter den Erben vermeiden. Es ist wichtig zu wissen, dass die gesetzliche Erbfolge bestimmte Regeln und Vorschriften hat, die beachtet werden müssen, um die Erbfolge korrekt abzuwickeln.
Wer ist Erbe der ersten Ordnung?
Der ersten Ordnung gehören nach § 1924 BGB alle Kinder, Enkelkinder, Urenkelkinder, usw. des Erblassers an. Kinder erben dabei immer zu gleichen Teilen.
Wer ist Erbe der zweite Ordnung?
Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind nach § 1925 BGB die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also Geschwister, Neffen, Nichten usw.). Sie werden nur dann gesetzliche Erben, wenn keine gesetzlichen Erben der ersten Ordnung vorhanden sind. Die Eltern erben jeweils zur Hälfte. Wenn ein Elternteil vorverstorben ist, erhalten die Geschwister des Erblassers dessen Erbteil.
Wer ist Erbe der dritten und vierten Ordnung?
Erben der dritten Ordnung sind nach § 1926 BGB die Großeltern des Erblassers (und deren Abkömmlinge), Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge.
Wie viel erben Ehegatten?
Der Ehegatte des Erblassers nimmt eine Sonderrolle ein und erbt sowohl neben den Erben der ersten Ordnung, als auch neben den nachfolgenden Ordnungen, § 1931 BGB. Dabei kommt es zur Bestimmung der Erbquote des Ehegatten nicht nur darauf an, welcher Ordnung die neben ihm berufenen Erben angehören, sondern welcher Ehegüterstand zwischen dem Erblasser und dem Ehegatten galt. Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft erbt der Ehegatte neben Kindern die Hälfte und neben den anderen Ordnungen drei Viertel. Im Güterstand der Gütertrennung erbt der Ehegatte neben den Kindern entweder ein Drittel (bei 1 oder 2 Kindern) oder ein Viertel (bei 3 oder mehr Kindern). Wenn keine Kinder vorhanden sind, erbt der Ehegatte neben den anderen Verwandten im Güterstand der Gütertrennung die Hälfte.
Erste Ordnung | Kinder, Enkel, Urenkel, ... | Ehegatte |
Zweite Ordnung | Eltern, Geschwister, Neffen, Nichten, ... | Ehegatte |
Dritte Ordnung | Großeltern, Onkel, Tanten, Cousin, Cousinen, ... | Ehegatte |
Vierte Ordnung | Urgroßeltern, Großonkel, Großtante, Großcousin, Großcousinen, ... | Ehegatte |
Welche Möglichkeiten bietet die gewillkürte Erbfolge?
Die gewillkürte Erbfolge bietet die Möglichkeit, den Nachlass nach individuellen Wünschen zu regeln und das Vermögen auch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zu verteilen. Es können Personen bedacht werden, die nicht gesetzliche Erben wären, Vermächtnisse festgelegt oder auch gemeinnützige Organisationen berücksichtigt werden.
Durch eine klare Regelung in einem Testament oder Erbvertrag kann der Erblasser sicherstellen, dass sein Nachlass gemäß seinen Vorstellungen aufgeteilt wird.
Testament und Erbvertrag als Instrumente der gewillkürten Erbfolge
Wenn es um die Regelung des eigenen Nachlasses geht, stehen einem Erblasser verschiedene Instrumente zur Verfügung, um die gesetzliche Erbfolge nach seinen Wünschen zu gestalten. Ein Testament und ein Erbvertrag sind dabei die wohl bekanntesten Mittel der gewillkürten Erbfolge.
Mit einem Testament kann individuell festgelegt werden, wer Erbe sein soll und in welchem Umfang diese erben sollen. Dabei können auch Vermächtnisse an bestimmte Personen oder Organisationen hinterlassen werden. Ein Testament kann sowohl handschriftlich verfasst oder notariell beurkundet werden.
Ein Erbvertrag hingegen ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und einem oder mehreren Erben. Hier können bereits zu Lebzeiten bestimmte Vermögenswerte oder auch Auflagen geregelt werden, die nach dem Tod des Erblassers wirksam werden. Ein Erbvertrag bedarf der notariellen Beurkundung und bietet somit eine besonders sichere Form der Nachlassregelung.
Wie können Erbstreitigkeiten und Ungerechtigkeiten vermieden werden?
Frühzeitig für Klarheit und Transparenz zu sorgen, kann Streitigkeiten und Ungerechtigkeiten unter den Erben vermeiden. Dies gilt sowohl bei gesetzlicher als auch bei gewillkürter Erbfolge. Dabei kann es hilfreich sein, bereits zu Lebzeiten klare Regelungen zu treffen und ein Testament aufzusetzen. Dieses sollte möglichst präzise formuliert sein, um Interpretationsspielräume zu vermeiden.
Eine weitere Möglichkeit, Konflikte zu vermeiden, ist die frühzeitige Einbeziehung eines erfahrenen Rechtsanwalts oder Notars. Diese Fachleute können dabei helfen, die Wünsche des Erblassers rechtssicher festzuhalten und potenzielle Streitpunkte zu identifizieren und zu klären.
Sollte es dennoch zu Unstimmigkeiten kommen, ist es wichtig, diese möglichst früh und konstruktiv zu lösen. Hierbei kann eine Mediation oder Schlichtung helfen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden und langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Welche Rolle spielt das Pflichtteilsrecht bei der Erbfolge?
Die Bestimmung der Erbquoten ist auch im Rahmen des Pflichtteilsrecht relevant. Hat der Erblasser einen gesetzlichen Erben durch ein Testament ausgeschlossen, so hat dieser grundsätzlich einen Anspruch auf seinen Pflichtteil in Höhe der Hälfte seiner gesetzlichen Erbquote.
Sollte ein Erblasser die beschriebene Erbfolge nicht wünschen, muss er zwingend eine letztwillige Verfügung errichten (Testament oder Erbvertrag) und die Erbfolge nach seinen Wünschen, als gewillkürte Erbfolge gestalten. Der Erblasser hat hierbei zwar grundsätzlich freie Hand, jedoch sollten insbesondere pflichtteilsrechtliche und steuerrechtliche Fallstricke berücksichtigt werden. Auch wenn die gesetzliche Erbfolge den Wünschen des Erblasser entspricht, kann im Zusammenhang mit minderjährigen Erben, Testamentsvollstreckung, Vermächtnissen und Auslandsvermögen ein Testament sinnvoll oder sogar zwingend erforderlich sein; gegebenenfalls flankiert von der Gründung einer Stiftung oder einer Familiengesellschaft.
Wir unterstützen Sie gerne
Sollten Sie weitere Fragen zum Thema gesetzliche und gewillkürte Erbfolge haben oder Unterstützung bei der Erstellung eines Testaments benötigen, setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Unser Team von sherb aus erfahrenen Rechtsanwälten und Fachanwälten für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht berät Sie gerne bundesweit aus Frankfurt am Main und Berlin.