Noch nicht geboren und schon steuerlich relevant
24.06.2024
Urteil des Bundesfinanzhofs, 28.02.2024 - II R 25/21
In seiner aktuellen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof erneut und detailliert erläutert, wie sich der schenkungsteuerliche Freibetrag bei einer Vermögensübertragung auf eine Familienstiftung ermittelt und was unter dem Begriff des „entferntest Berechtigten“ zum Schenker zu verstehen ist. Demnach ist es unerheblich, ob die Satzung einer Familienstiftung – noch nicht geborene – Urenkel als „Berechtigte“ oder als „Begünstigte“ bezeichnet. Entscheidend ist vielmehr, ob die Person potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Dies gilt für alle Angehörigen in gerader Linie, unabhängig davon, ob Sie bei Errichtung der Stiftung bereits geboren, jemals geboren werden oder tatsächlich Ausschüttungen von der Stiftung erhalten werden.
Streitfall
Die Klägerin hatte eine Familienstiftung errichtet und auf diese ein Vermögen mit einem Steuerwert von rund EUR 450.000 übertragen.
In der Stiftungssatzung und im Stiftungsgeschäft waren sie und ihr Ehemann sowie die bereits geborene gemeinsame Tochter als „Berechtigte“ genannt. Weitere Abkömmlinge sollten erst nach dem Ableben der Tochter finanziell begünstigt werden und bezugsberechtigt sein.
Das Schenkungsteuerfinanzamt gewährte für die Übertragung nur einen Freibetrag in Höhe von EUR 100.000 für die in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG genannten übrigen Personen der Steuerklasse I (z. B. Urenkel oder deren Abkömmlinge).
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Freibetrag für Kinder in Höhe von EUR 400.000 zu gewähren sei, da nach der Stiftungssatzung nur die Tochter bezugsberechtigt sei. Die Kinder und Kindeskinder der gemeinsamen Tochter wären zwar begünstigt, aber erst nach dem Tod der Tochter.
Die gegen den Schenkungsteuerbescheid erhobene Klage hat das Niedersächsische Finanzgericht abgewiesen und dem Finanzamt Recht gegeben (Gerichtsbescheid vom 24.06.2021, 3 K 5/21).
Die gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts eingereichte Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) war erfolglos.
Entferntest Berechtigter, Freibeträge und Steuersatz
Hintergrund des Rechtsstreits zwischen der Klägerin und dem Schenkungsfinanzamt ist folgender:
Errichtet jemand eine Familienstiftung, möchte er oder sie zunächst die eigenen Familienangehörigen begünstigen. Im Rahmen der Errichtung überträgt der Stifter oder die Stifterin Vermögen auf die Stiftung (sog. Grundstockvermögen), mit dem diese in der Zukunft Erträge erwirtschaften kann, um die Stiftungszwecke gemäß der Stiftungssatzung erfüllen zu können. In der Regel besteht ein solcher Stiftungszweck unter anderem in der Versorgung der Familienangehörigen.
Bei der Vermögensübertragung auf eine Familienstiftung handelt es sich steuerrechtlich um eine Schenkung unter Lebenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG. Hinsichtlich der relevanten Freibeträge und der Steuerklasse ist das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter bzw. der Stifterin und dem laut Stiftungssatzung entferntest Berechtigten relevant (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG).
Sind die Kinder entferntest Berechtigte, bestünde ein Freibetrag von EUR 400.000. Wären die Enkel mit einbezogen, bestünde immerhin noch ein Freibetrag von EUR 200.000. Bei allen übrigen Abkömmlingen (Urenkel, Ururenkel etc.) beliefe sich der Freibetrag nur noch auf EUR 100.000.
Immerhin gilt jedoch die vorzugswürdigste Steuerklasse (I), sofern die Stiftungssatzung nur Verwandte in gerader Linie und / oder Ehegatten als Begünstigte aufführt.
Potenziell Begünstigter
Der BFH hat nun in seinem Urteil klargestellt, dass die Formulierung „entferntest Berechtigter“ denjenigen bezeichnet, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögenswerte aus der Stiftung erhalten soll.
Dabei unterscheide das Gesetz nicht zwischen Berechtigten als sofort Anspruchsberechtigte und Begünstigten, die erst später anspruchsberechtigt sein sollen. Es gäbe keine Unterscheidung zwischen „sofort“ oder „später Berechtigten / Begünstigten“.
Vielmehr gelten als entferntest Berechtigte auch alle nachfolgenden Generationenfolgen, wenn diese in der Stiftungssatzung Erwähnung finden (z. B. alle weiteren Abkömmlinge). Dies gilt unabhängig davon, ob diese Enkel, Urenkel, etc. bei Stiftungserrichtung bereits geboren oder gezeugt sind oder ob sie jemals geboren werden.
Steuergestaltung vs. Ewigkeitsgedanke?
Eine praktisch relevante Frage lässt der BFH an dieser Stelle offen. Eine Begrenzung des Begünstigtenkreises auf die Kinder (Freibetrag EUR 400.000) oder Enkelkinder (Freibetrag EUR 200.000) wäre steuerlich zunächst möglich.
Unter dem Gesichtspunkt, dass die Stiftung jedoch grundsätzlich „für die Ewigkeit“ errichtet werden soll, bleibt abzuwarten, ob die Stiftungsbehörden solchen beschränkenden Regelungen zum entferntest Berechtigten zustimmen.
Sorgfältige Ausgestaltung der Stiftungssatzung
Diese Entscheidung zeigt wieder einmal exemplarisch, wie wichtig eine sorgfältige Ausgestaltung der Stiftungssatzung und des dazugehörigen Stiftungsgeschäfts ist. Insbesondere bei den Regelungen zum Kreis der Begünstigten ist besondere Vorsicht angebracht. Berücksichtigt die Stiftungssatzung beispielsweise auch Schwiegerkinder, Geschwister oder Neffen und Nichten, so reduziert sich der Freibetrag bereits auf EUR 20.000. Zudem findet die schlechtere Steuerklasse II mit einem deutlichen höheren Steuersatz (15 % und mehr) Anwendung.
Unsere erfahrenen Rechtsanwälte und Fachanwälte für Steuerrecht und Erbrecht beraten Sie gerne daher gerne bei allen Themen rund um die Familienstiftung.