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Zur Bindungswirkung von Ehegattentestamenten

09.04.2024

Beschluss des Oberlandesgerichts München, 30.01.2024, 33 Wx 191/23 e

Bei der Errichtung von Testamenten stellt sich zu Beginn häufig die Frage nach der Testierfreiheit des (späteren) Erblassers. Diese kann insbesondere dann eingeschränkt sein, wenn der Erblasser bereits ein Testament errichtet oder einen Erbvertrag geschlossen hat, der Bindungswirkung entfaltet. In diesen Fällen sind spätere letztwillige Verfügungen, die einer etwaigen Bindungswirkung widersprechen insoweit unwirksam. Doch nicht jedes vorausgehende Testament hat zwingend eine Bindungswirkung. Ob dies der Fall ist, muss häufig durch Auslegung ermittelt werden. So auch in einem neulich vor dem Oberlandesgericht München entschiedenen Fall.

Sachverhalt

Der Erblasser verstarb im Jahr 2021 kinderlos. Er war in zweiter Ehe verheiratet und hatte mit seiner ersten Ehefrau, die bereits im Jahr 2016 vorverstorben ist, ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, worin sie verfügten, dass sie sich für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Für den zweiten Erbfall bestimmten sie als Schlusserben ihre Patenkinder jeweils zu ½. Dies entspricht letztlich der Regelung eines Berliner Testaments, wobei als Schlusserben vorliegend keine leiblichen Kinder eingesetzt wurden. Bei den Patenkindern handelte es sich um den Neffen der ersten Ehefrau des Erblassers sowie die Enkelin des Bruders des Erblassers. Darüber hinaus vereinbarten die Ehegatten einen sogenannten Änderungsvorbehalt, wonach der Längerlebende zwar die Erbfolge ändern durfte, jedoch mit der Einschränkung, dass (zumindest) die Hälfte des Nachlasses an die Abkömmlinge der Geschwister Ehemanns und die andere Hälfte an die Abkömmlinge der Geschwister der Ehefrau fallen sollte.

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau errichtete der Erblasser neue Testamente. Er verfügte mittels notariellen Testaments, dass statt der Enkelin seines Bruders seine zweite Ehefrau zu ½ Erbin werden sollte. Später schrieb die Ehefrau für den Erblasser drei weitere handschriftliche Testamente, wonach sie Alleinerbin sein sollte, die der Erblasser eigenhändig unterschrieb.

Widerstreitendes Erbscheinverfahren

Die Parteien stellten widerstreitende Erbscheinanträge. Während die Patenkinder einen Erbschein beantragten, wonach sie jeweils zu ½ Erben geworden seien, begehrte die Ehefrau einen Erbschein, wonach sie zu ½ Erbin geworden sei.

Das Nachlassgericht folgte der Argumentation der Patenkinder, wonach es einzig auf die ursprüngliche testamentarische Verfügung des Erblassers mit seiner ersten Ehefrau ankomme, da diese wechselbezüglich und daher bindend gewesen sei. Die nachfolgenden Testamente hätten daher an der Erbfolge nichts mehr ändern können. Damit wollte sich die Frau des Erblassers nicht abfinden und legte Rechtsmittel beim Oberlandesgericht München ein. Sie hatte damit jedoch keinen Erfolg.

Bindungswirkung durch Auslegung

Die Richter stellten fest, dass zwar keine ausdrückliche Regelung getroffen worden sei, ob die Erbeinsetzung der Schlusserben wechselbezüglich gewesen sei, jedoch führe die Auslegung des Testaments zu diesem Ergebnis. Das Gericht verwies auf die Regelung des § 2270 Absatz 1 BGB, wonach in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und bindend seien, wenn die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Das Gericht führte hierzu unter anderem an, dass gerade die getroffene Regelung zur Änderungsbefugnis zeige, dass die Ehegatten sich nur insoweit eine Änderungsmöglichkeit vorbehielten, soweit dennoch die Abkömmlinge der jeweiligen Geschwister berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund war die Einsetzung der Ehefrau im späteren Testament unwirksam, da es der Erbeinsetzung des ursprünglichen Testaments widerspricht, § 2271 Absatz 2 Satz 1 BGB.

Weiter stellte das Gericht fest, dass die vorgelegten handschriftlichen Testamente bereits formunwirksam waren, da diese nicht vom Erblasser selbst errichtet wurden und damit den Voraussetzungen des § 2247 Absatz 1 BGB nicht entspricht.

Einschätzung

Dass das Gericht die Unwirksamkeit der von der Ehefrau handschriftlich verfassten Testamente festgestellt hat, ist alternativlos. Nach § 2247 Absatz 1 BGB kommt es darauf an, dass der Erblasser privatschriftliches Testament selbst handschriftlich verfasst und unterschreibt. Würde es genügen, dass irgendwer das Testament handschriftlich vorschreibt, könnte man auf das Formerfordernis der Handschriftlichkeit komplett verzichten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass diese Frage anders entschieden worden wäre, wenn es sich um ein gemeinschaftliches Testament gehandelt hätte, da dieses naturgemäß nur von einem der Ehegatten geschrieben werden kann, während der andere Ehegatte lediglich das Testament mitunterzeichnet. Letztlich kam es hierauf jedoch im entschiedenen Fall ohnehin nicht an, da das Gericht festgestellt hat, dass das die Erbeinsetzung im ursprünglichen Testament Bindungswirkung entfaltet hat, so dass die nachfolgenden Testamente, soweit diese die Erbfolge ändern sollten, unwirksam gewesen sind. Gleichwohl zeigt allein die Tatsache, dass die Gerichte über zwei Instanzen die Frage der Bindungswirkung beschäftigt hat, dass es aus Sicht der Erblasser sinnvoller gewesen wäre, eine eindeutige Regelung zu treffen, die keiner weitergehenden Auslegung bedurft hätte.

Die Ehefrau des Erblassers bleibt daher auf die Geltendmachung des Pflichtteils verwiesen.

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Autor: Rechtsanwalt Dr. Daniel Elias Serbu

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